Die Gründung des Musikvereins Wendlingen erfolgte mitten im Inflationsjahr 1923. So wurde am 21. Juli Eugen Bäuerle zum Vorsitzenden gewählt. Bereits bei seiner Gründung zeigten sich die Mitglieder des Musikverein Wendlingen offen für ihre Nachbarn. Denn hierbei waren auch Musiker aus der Nachbargemeinde Köngen dabei, was bei der damals üblichen Abgrenzung zu Anrainergemeinden eine Besonderheit darstellen musste. Diese Offenheit, auch Musiker willkommen zu heißen, die nicht aus Wendlingen stammen, hat sich bis heute gehalten und macht den Verein zu einer stadtübergreifenden kulturellen Einrichtung.

Aber nun zurück zur Geschichte des Orchesters.
Geburtsstätte des Vereins war das Gasthaus Adler. Dort stellte der frühere Musikdirektor Bad Urachs, Gottlob Mahle, der in den Jahren 1948 bis 1949 die musikalische Leitung des Vereins innehatte, am 14.7.1923 Zweck und die Ziele eines zu gründenden Musikvereins vor. Dass sich der musikalische Durchbruch des neu gegründeten Vereins recht schnell einstellte, dokumentieren die Erfolge bei den Preisspielen der Kapelle unter Leitung des Dirigenten Karl Enßlin in Kirchheim und Untertürkheim. Hier konnten in der Unterstufe jeweils 1a- Preise errungen werden. Durch großen Einsatz der Mitglieder konnte bereits 1925 eine Fahne angeschafft werden, die bis heute Symbol für eine erfolgreiche Gemeinschaft mit zukunftsorientierten Zielen geblieben ist.
Auch die Bevölkerung zeigte recht schnell großes Interesse am Verein. So konnte der Verein im Jahre 1931 bei 28 aktiven Musikern bereits 158 Mitglieder verzeichnen. Fünf Jahre später machte der Verein mit der Gründung einer Jugendkapelle einen weiteren richtungsweisenden Schritt. In der Folge hatte neben dem Dirigenten Karl Hytrek Rudi Grande als engagierter Ausbilder der Jugendlichen großen Anteil an dem Erfolg der Jugendkapelle.
Das Blasorchester, das während des zweiten Weltkriegs das Schicksal vieler Vereine teilen musste und seine Betätigung weitgehend einstellte, konnte bereits im Mai 1946 wieder auf sich aufmerksam machen. Im Jahre 1949 wurde eine Tradition begonnen, die maßgebend für die erfolgreiche Vereinsarbeit werden sollte und bis heute anhält. Der in diesem Jahr gewählte Vorsitzende des Vereins Friedrich Götz leitete den Verein 16 Jahre und sorgte damit für Kontinuität und Stabilität des Vereins. Diese Tradition wurde in der Folge mit den langjährigen Vorsitzenden Werner Valet (22 Jahre), Herbert Block (14 Jahre) sowie Werner Block (20 Jahre) fortgesetzt. Die langen Amtszeiten zeugen nicht nur von dem überaus großen Engagement dieser Vorsitzenden für ihren Verein, sie sind auch ein Indiz des Vertrauens der Vereinsmitglieder in die Arbeit dieser Männer.
Friedrich Götz, der neben seinem Engagement als Vorsitzender auf vierzig Jahre aktive Tätigkeit als Musiker zurückblicken konnte, wurde im Jahre 1963 die Ehrenurkunde des Bundespräsidiums des Deutschen Volksmusikerbundes verliehen. In seiner Amtszeit wurde der Musikverein Wendlingen mit den Dirigenten Rometsch, Urschel und Hytrek ein wesentlicher Kulturträger in der Stadt Wendlingen.

Musikalischer Höhepunkt in seiner Amtszeit war das Erreichen des Ersten Ranges in der Oberstufe beim Preisspiel anlässlich des Landesmusikfestes in Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein. Das heutige Outfit des Blasorchesters fällt ebenfalls in die Amtszeit von Friedrich Götz zurück. Im Jahre 1966 fiel die Entscheidung, die Musiker mit einer alten schwäbischen Tracht auszustatten, die das Große Blasorchester noch heute als Markenzeichen trägt. Aber auch die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu ausländischen Musikfreunden hat ihren Ursprung in seiner Amtszeit, denn bereits 1956 wurde die Musikkapelle Grüningen in der Schweiz besucht. Mit Gastspielen bei der Trachtenkapelle St. Margarethen und bei befreundeten Vereinen sowie in den Partnerstädten Wendlingens wurde diese Tradition auch von den nachfolgenden Vorsitzenden gepflegt. Auch das Jugendblasorchester des Vereins sammelte mit einer Konzertreise nach Saint Leu und der Teilnahme beim International Festival of Youth Brass Orchestras in Cheb bereits erste Auslandserfahrungen.
Werner Valet übernahm im Jahre 1966, nachdem er bereits seit 1961 als Zweiter Vorsitzender maßgeblich an den Vereinsgeschicken mitgewirkt hatte, das Amt von Friedrich Götz als Vorstand des Musikvereins. Ihm gelang, gemeinsam mit seinem Stellvertreter Werner Knauer, gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit der Berufung von Waldemar Götz als Dirigenten des Blasorchesters eine wegweisende Weichenstellung. Damit begann eine mehr als zwanzig Jahre andauernde erfolgreiche Zusammenarbeit zweier Männer, die sich äußerst fruchtbar auf die Entwicklung des Orchesters auswirkte: Waldemar Götz etablierte die konzertante Blasmusik. Doch neben den konzertanten Erfolgen war das Orchester auch immer gern gesehener Gast in Festzelten, wo es ihm immer gelang, das Publikum durch einen bunten Bogen moderner Unterhaltungsmusik mitzureißen.
Das Hauptanliegen bei der Arbeit von Waldemar Götz war immer, die Auftritte mit einem hohen musikalischen Niveau zu bestreiten. Mit akribischer Probenarbeit schaffte er es, die Kapelle überregional als hervorragendes Oberstufenorchester zu etablieren. In den Wertungsspielen, denen sich die Kapelle unter seiner Stabführung stellte, wurde regelmäßig ein Erster Rang mit Auszeichnung erreicht.
Mit dieser Auszeichnung kehrten die Musiker 1974 auch vom Bundesmusikfest in Sindelfingen zurück. Höhepunkt des Jahres 1976 war die Teilnahme an der Rundfunksendung „Klang und Sang aus Stadt und Land“. Der Beginn gemeinsamer musikalischer Aktivitäten mit dem Musikverein Unterboihingen fällt ebenfalls in die Ära Valet/Götz. Zum 850-jährigen Jubiläum der Stadt Wendlingen im Jahre 1982 musizierten die Musikerinnen und Musiker des Musikvereins Unterboihingen und des Musikvereins Wendlingen in einem gemeinsamen, eindrucksvoll großen Orchester. Auftritte der beiden Musikvereine bei Festen des anderen Vereins sowie gemeinsame Konzerte der gemeinsamen Jugend finden heute regelmäßig statt.

Waldemar Götz übergab bei der Winterfeier 1987 die Leitung des Orchesters an Heinrich Zipse. In einem Artikel anlässlich des Abschiedskonzertes von Waldemar Götz wird festgestellt, dass es ihm gelungen sei, den Wandel von einer Kapelle zu einem Blasorchester erstaunlicher Qualität zu vollziehen. Danach zog er sich aber nicht gänzlich aus dem musikalischen Geschehen zurück. Nein, er ist bis heute als Es-Klarinettist seinem Orchester treu geblieben. Mit seinem großen Engagement ist er als Senior ein Vorbild für die folgenden Generationen.
Aber auch in der Vereinsführung wurde ein Wechsel vollzogen: Für Werner Valet übernahm Herbert Block das Amt des Vorstandes. Ihm gelang es, Bürger der Stadt Wendlingen und angrenzender Gemeinden auf die Aktivitäten des Orchesters aufmerksam zu machen.
Im Jahre 1989 wurde Martin Schmelcher als Dirigent gewonnen. Damit gelang auch dem neuen Vorsitzenden Herbert Block gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein wegweisender Schritt, um den Erfolg des Musikvereins Wendlingen zu festigen und voranzutreiben.
Mit Martin Schmelcher, der an der Musikhochschule Stuttgart ein Trompetenstudium absolvierte, kehrte ein früherer Musiker des Wendlinger Musikvereins zu seinem Verein zurück. Der neue Dirigent, der als Dozent an der Musikschule Köngen/Wendlingen tätig ist, machte frühzeitig deutlich, dass die Qualität eines Blasorchesters auf Dauer nur durch kontinuierliche, professionelle Jugendarbeit gesichert werden kann. Die gute Jugendarbeit spiegelt sich auch darin, dass um die Jahrtausendwende teilweise über 60 Musiker im Jugendblasorchester des Vereins spielten. Dass dem Verein aber nicht nur Quantität, sondern auch Qualität wichtig ist, lässt sich an den guten Ergebnissen ablesen, die das Jugendorchester bei mehreren Jugendkritikspielen in den vergangenen Jahren erzielte. Auch durch Probenwochenenden sowie regelmäßigen Teilnahmen bei den D-Lehrgängen des Kreisverbands wurde die musikalische Jugendarbeit immer professioneller. Inzwischen treten auch die Jugendlichen des Vereins regelmäßig bei befreundeten Vereinen auf. Durch den Aufbau eines Vororchesters bietet der Musikverein auch den jüngsten Musikern eine Möglichkeit, sich im Zusammenspiel zu üben. Geleitet wurde das Vororchester seit 2004 von Wolfgang Beichter.

Martin Schmelcher, der sich ständig durch Besuche von Kursen international renommierter Dirigenten fortbildete, verfolgte konsequent die musikalische Weiterentwicklung der Orchester. Er förderte das Spielen in Ensembles, die Mitwirkung bei Projekten mit anderen musiktreibenden Gemeinschaften und die Teilnahme an Wertungsspielen. Die Probenarbeit war von großer Professionalität geprägt. Diese wurde ergänzt durch Registerproben und intensive Probetage an Probenwochenenden mit weiteren professionellen Lehrkräften. Konzertanter Höhepunkt neben Serenaden und anderen Projekten ist das Frühjahrskonzert, das traditionell am Palmsonntag stattfindet.
In diesem Jahr wurde auch die Erste CD des Musikvereins Wendlingen vorgestellt. Fünf Jahre später wurde zum 80-jährigen Jubiläum des Vereins die CD „Von Seefahrern und …“ produziert. Beide CDs können im Vereinsheim erworben werden.
Im Jahr 2001 trat Herbert Block nach 14 Jahren als Vorsitzender zurück. Auch seinem Nachfolger Werner Block gelang gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein zukunftsträchtiger Schritt. Mit großem Einsatz verfolgte er das Ziel, die Probensituation des Vereins zu verbessern. Hierzu wurde 2002 das frühere Naturfreundehaus in der Austraße 101 erworben und durch engagierte Mitglieder umfangreich renoviert. Dadurch wurde die Probensituation der in jüngster Vergangenheit stark angewachsenen Orchester wesentlich verbessert. Das Vereinsheim war aber von Beginn an nicht nur Treffpunkt für aktive und fördernde Mitglieder des Vereins. Es war am Wochenende als Gaststätte für jedermann sowie als Raum für private Feiern geöffnet, bewirtet durch die Vereinsmitglieder. Auch wirtschaftlich betrachtet war der Kauf des Vereinsheims ein wichtiger Schritt, da es heute maßgeblich zur Finanzierung des Vereins beiträgt.
Das Mitwirken beim Volksfestumzug in Bad Cannstatt, Kurkonzerte in Bad Boll, Platzkonzerte in Bad Reichenhall sowie Auftritte in Eschbach, Leinstetten, Mühlacker, Poppenweiler und Schnait – zahlreiche Auftritte in der Vergangenheit ließen das Markenzeichen Musikverein Wendlingen weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt werden. Große Projekte wie die Aufführung der „Carmina Burana“ auf dem Hohenneuffen mit mehr als hundert Sängern, ein Konzert mit einer Rockband zum Jubiläum des Wendlinger Zeltspektakels und eine italienische Nacht in der Wendlinger Stadtmitte zusammen mit den musiktreibenden Vereinen Wendlingens führten dazu, dass der Musikverein immer neues Publikum ansprechen konnte und noch heute für seine Vielseitigkeit geschätzt wird.

Gemeinsam mit dem Musikverein Unterboihingen wurde ein Beschluss gefasst, um im Bereich der Jugendarbeit gemeinsames Musizieren ohne Grenzen zu ermöglichen: Das gemeinsame Vororchester sowie die Jugendkapelle „Unisono“ sind Blasorchester in Kooperation mit dem MVU. So konnten auch in den eigenen Reihen Ausbilder an den verschiedenen Instrumenten rekrutiert werden, um den heranwachsenden Jungmusikern den Start im Verein zu erleichtern.
Nach 28-jähriger Dirigententätigkeit im Musikverein Wendlingen übergab Martin Schmelcher 2017 den Dirigentenstab an seinen Nachfolger Markus Frieß. In seiner musikalischen Laufbahn absolvierte der gebürtige Beurener Frieß eine professionelle Ausbildung zum Dirigenten. Zu den Nebenfächern des „Bachelor of Music“ zählen Komposition und Klarinette. Seit nunmehr 17 Jahren leitet er eine kleine private Musikschule in Rheinhausen und Herbholzheim im Breisgau. Dort haben Markus Frieß und seine Familie auch ihren Wohnsitz. Der Wunsch, ein Oberstufenorchester zu leiten, sowie die örtliche Nähe zu seiner Geburtsstätte führten ihn nach Wendlingen. Seiner Feder entsprangen kleine Musicals mit denen er durch die enge Zusammenarbeit der Jugend mit dem Blasorchester wieder alle Vereinsangehörigen zur Winter- und Familienfeier zusammenrücken ließ.
2021 übernahm Erwin Nehlich die Leitung des Großen Blasorchesters. Bereits seit seiner Schulzeit ist der 1959 in Oberboihingen geborene Nehlich der Musik verbunden. An der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim studierte er Orchestermusik mit Hauptfach Posaune. Bei Prof. Miguel Monroy erhielt Nehlich eine private Dirigierausbildung. Seit 1993 ist Nehlich Wertungsrichter beim Blasmusikverband Baden-Württemberg.

Jens Block wurde im Jahr 2021 zum ersten Vorstand gewählt und löste nach 20 Jahren seinen Vater, Werner Block in diesem Amt ab. Gemeinsam mit dem ebenfalls neu gewählten zweiten Vorstand, Fabian Ahrens gelang ein infolge der Pandemiezeit nötig gewordener Neustart im Vereinsleben. Die Neubesetzung des Präsidiums ging mit einer Verjüngung einher. Anja Bickele und Jessica Stumpp brachten zudem frischen Wind für die Jugendarbeit mit. Gut besetzt kann die Vorstandschaft nun auf das 100-jährige Jubiläum des Musikvereins im Jahr 2023 sowie an den anstehenden Renovierungsarbeiten am Vereinsheim hinarbeiten. Ebenfalls neu besetzt wurde im Jahr 2022 die Stelle der Jugenddirigenten: Wolfgang Beichter übergab die Leitung des Vor- und Jugendblasorchesters an Martina Pirotta.